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02.05.2017 20:00 - 22:15 / Wuppertal - Café Stilbruch
Die Unmöglichkeit des Notwendigen

Es gibt gute Gründe dafür, 2017 den antiparlamentarischen und Anti-Parteien-Reflex in der radikalen Linken zu hinterfragen. Zu auffällig ist die Diskrepanz zwischen dem verbreiteten Alarmismus wegen eines voraussichtlichen Einzugs der neorechten AfD in den nordrhein-westfälischen Landtag im Mai und in den Bundestag im September und der häufig propagierten Abwendung von Wahlen, Wahlkämpfen und Wahlergebnissen, die in Aufrufen und Publikationen nach wie vor eine radikal linke Haltung darstellen soll. Auch angesichts einer für viele Aspekte emanzipatorischer Politik gefährlichen Polarisierung der Gesellschaft und von nach rechts verschobenen Diskursen wird nur selten ernsthaft über Sinn und Unsinn einer Unterstützung der einzigen Partei in der BRD diskutiert, die bei aller berechtigten Kritik doch auch ein grundsätzliches antifaschistisches Selbstverständnis im Parlamentssystem repräsentiert. Während es den Anschein hat, dass die lange zersplitterte Rechte diesmal gemeinsam auf ihr neues Vorzeigemodell AfD setzt, wird auf linker Seite weiter Unvereinbarkeit gelebt. Die LINKE macht es den Linken jedoch auch nicht einfach, sie zu unterstützen.

Die Kritik an der Partei geht über eine – oft auch verkürzende – Kritik an einzelnen Personen wie Sara Wagenknecht oder Oskar Lafontaine hinaus. Ein ungebrochener nationaler Fokus bei ihren Vorstellungen von Sozial- und Wirtschaftspolitik, ein unhinterfragter Fetisch um den kapitalistischen Arbeitsbegriff oder ein fragwürdiges Solidaritätsgehabe einiger Gruppierungen in der Partei, die in einem unreflektiertem Antiimperialismus verharren, sind nur einige der Kritikpunkte. Hinzu kommen die Einzelpersonen, die bewusst eine missverständliche Kommunikationspolitik in Kauf nehmen, weil um AfD-WählerInnen geworben werden soll, oder jene Mitglieder und Funktionsträger der LINKEN, die sich nicht nur an Montagen besinnungslos auf jede Ansammlung „besorgter Menschen” stürzen – allen erkennbaren Querfronttendenzen zum Trotz. Und dann gibt es auch noch jenen Flügel, der in Kretschmann’scher Manier alles auf Regierungsbeteiligungen setzt und der bereit scheint, auch Prinzipien dafür über Bord zu werfen. Gerade das katastrophale Scheitern Syrizas in der griechischen Regierungsverantwortung, das sicher für die Rechtskurve der europäischen Politik mitverantwortlich ist, macht die Aussicht auf eine LINKE als kleiner Partner einer möglichen rot-rot-grünen Konstellation nicht gerade verlockend.

Dagegen steht u.a. die These, dass allein die Existenz einer Wahlalternative von links bislang das Erstarken einer rechten Protestpartei in Deutschland verhindert hat: Ohne die LINKE würde es eventuell auch in der BRD der Agenda 2010 einen „Front National” schon seit zehn Jahren geben. Gerne vergessen wird häufig auch, dass viele LINKE-ParlentarierInnen wichtige und aufklärerische Politik machen und Multiplikatoren für antifaschistische Positionen sind. So wären viele Kenntnisse über Regierungshandeln ohne beharrliche Anfragen auf parlamentarischer Ebene nie an die Öffentlichkeit gelangt und für von §129a oder 129b-Verfahren Betroffene gäbe es ohne die LINKE gar keine AnsprechpartnerInnen in den Parlamenten. Nicht zuletzt hat ein in Kooperation mit antifaschistischen Strukturen beharrliches Nachfragen zu den Vorgängen rund um den „NSU-Komplex” dazu geführt, dass das Thema bis heute auf der Tagesordnung steht. Vor dem Hintergrund, dass die Rechte ihrerseits Möglichkeiten der Parlamente beständig für Anti-Antifaarbeit nutzt und das nach den Wahlen in NRW und zum Bundestag voraussichtlich weiter ausdehnen kann, ist diese parlamentarische Präsenz sehr wichtig. Aus der Erfahrung einer sehr dürftigen lokalen Debatte über den Umgang mit der AfD ergibt sich dann jedoch auch eine Thematisierung des zukünftigen Umgangs mit Rechten in Parlamenten.

Wie also mit den bevorstehenden Landtags- und Bundestagswahlen umgehen? Und wie mit einer Partei die LINKE, die Linke beständig in Abwehrhaltungen versetzt? Gibt es die Situation vor, ein breites Bündnis gegen den Rechtsruck zu einer Notwendigkeit zu machen, speziell in einem Moment, in dem die bürgerliche Rechte inhaltlich stark auf neorechte Parteien zugeht wie in den Niederlanden oder Bayern? Doch wie unmöglich ist das Notwendige? Es gibt konkrete Fragen nach den Zielen der Partei, danach, was sie für AntifaschistInnen tun kann und was diese für die LINKE tun könnten oder sollten. Knapp zwei Wochen vor der Landtagswahl in NRW wollen wir in einem Streitgespräch u.a. diese Fragen mit dem Wuppertaler Stadtrat der LINKEN, Bernhard Sander diskutieren, der auch parteiintern als kritischer Kopf gilt, es andererseits aber auch radikalen Linken nicht immer leicht macht.

Referent

Bernhard Sander

Teilnahmebeitrag
frei €

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.