Die Türkei nach dem Referendum mit Ismail Küpeli am Donnerstag, den 27. April im ADA, Wiesenstraße 6, Wuppertal-Elberfeld, 20:00 Uhr.
Aus der Reihe „Politik in der Rechtskurve”. Eintritt: Spende
The winner takes it all
Am Ostersonntag ist in der Türkei jene Entscheidung gefallen, die sowohl innen- als auch außenpolitisch seit langem im Zentrum der Entwicklungen in der Türkei stand. In einem Referendum haben sich angeblich 51% der Wählenden für die Einführung einer autoritären, durch parlamentarische oder juristische Instanzen nicht wirksam kontrollierten Präsidialdemokratie entschieden. Das knappe Ergebnis wird jedoch von Manipulationsvorwürfen überschattet – unter anderem wurden vor allem im (kurdischen) Südosten der Türkei kurzfristig mindestens 1,5 Millionen Wahlzettel akzeptiert, die nicht offiziell validiert waren. Recep Tayyip Erdogan hat jedoch schon am Wahlabend keinen Zweifel daran gelassen, dass Einwände gegen das Referendum nicht zugelassen werden. Vielmehr wertet seine Partei AKP das angebliche Votum als eine nachträgliche Legitimation autoritärer Politik, des Kriegs in den kurdischen Gebieten und der Massenentlassungen und -verhaftungen. Es ist zu befürchten, dass im Verlauf der bis 2019 geplanten Einführung der neuen Präsidialmacht weitere Schritte zu einer offenen Diktatur gemacht werden; am Tag nach dem Referendum wurde zunächst erneut der Ausnahmezustand in der Türkei verlängert. Wie der Weg in die Diktatur aussehen wird, hängt nicht zuletzt von der Reaktion jener Hälfte der Bevölkerung ab, die am 16.4. mit „Nein“ stimmte – unmittelbar nach der Verkündung des Ergebnisses haben in größeren türkischen Städten tausende Menschen auf der Straße gegen die Wertung der Wahl protestiert. Ein breiter Widerstand scheint jedoch bereits weitgehend unmöglich, zumal die größte Oppositionspartei, die republikanische CHP, regelmäßig zwischen Kooperation und Widerspruch pendelt.
Erwachende Ressentiments
Der sehr verbissene Wahlkampf um ein „Evet“ oder „Hayir“ hat aber zunehmend auch in Deutschland Spuren hinterlassen, wo etwa 1,4 der 3,5 Millionen Menschen türkischer Abstammung am 16.4. wahlberechtigt waren. Bespitzelungen durch den türkischen Geheimdienst „MIT“ und Einreiseverbote in die Türkei sowie aus Ankara offen befeuerte Denunziationen, Boykottaufrufe oder Gewaltandrohungen haben den Autoritarismus tief in die türkisch/kurdischen Communities deutscher Städte und in Belegschaften deutscher Betriebe getragen. Von der deutschen Mehrheitsgesellschaft eher unbemerkt wurden viele „Nein“-WählerInnen in Furcht versetzt – wenn nicht um sich, dann doch um Freunde und Angehörige in der Türkei. Eine niedrige Wahlbeteiligung von nur 46% bei den hier lebenden Türkinnen und Türken und mehr als 60% der abgegebenen Stimmen für die Änderung der Verfassung in der Türkei waren eine Folge. Dieses Ergebnis wiederum hat in Deutschland viele Ressentiments auf den Plan gerufen, die in den letzten Jahren verblasst schienen. Oft war die Rede davon, „die Mehrheit der Türken“ in Deutschland habe sich für Erdogans Pläne entschieden, was angesichts der Zahl der Wahlberechtigten und der Wahlbeteiligung nicht zutrifft, aber dennoch zur Grundlage von zum Teil absurden Forderungen gemacht wird.
Diskussion mit Ismail Küpeli
Zehn Tage nach dem Referendum wollen wir bei unserer Veranstaltung im ADA darüber diskutieren, wie es in der Türkei unter der Alleinherrschaft eines Präsidenten weitergehen kann und welche Möglichkeiten der Opposition noch verbleiben. Ebenso wichtig ist uns auch eine Diskussion zu den Verwerfungen in der türkisch-stämmigen Community in Deutschland, die noch lange nach dem Referendum fortwirken werden, und darüber, wieso dem „langen Arm Ankaras“ in Deutschland nicht genug entgegengesetzt wurde und wird.
Mit Ismail Küpeli haben wir einen der profiliertesten Publizisten zur türkischen Politik zu Gast, der das Ergebnis des Referendums für uns einordnen soll. Ismail Küpeli ist jedoch nicht nur ein aufmerksamer Beobachter und Berichterstatter zur türkischen Politik, er hat zuletzt auch selber unliebsame Erfahrungen mit regierungsnahen türkischen Pressuregroups gemacht. Anfang 2017 hatte er deshalb einen viel beachteten Rückzug aus sozialen Netzwerken verkündet. Mittlerweile berichtet Ismail Küpeli auch wieder bei Twitter und Facebook über das Geschehen in der Türkei.
Eine Kooperationsveranstaltung mit dem soli-komitee-wuppertal
Ismail Küpeli
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