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26.05.2017 20:00 - 22:15 / Wuppertal - ADA
Frankreich zwischen den Wahlen

Kaum eine europäische Wahl wurde 2017 so oft zu einer europäischen Schicksalswahl erklärt wie die französische Präsidentschaftswahl. Die deutsche Öffentlichkeit zitterte vor einem Wahlerfolg Marine Le Pens vom rechten Front National. Nachdem jedoch am 7. Mai der selbsterklärte Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron als Sieger der Wahl feststand, sind Politik und Börsen mit vernehmbarem Erleichterungsseufzer zum Normalbetrieb zurückgekehrt: unmittelbar nach den Gratulationen waren aus Berlin erste Forderungen nach weiteren neoliberalen „Reformen“ in Frankreich zu hören.

Dabei wurde vor dem zweiten Wahlgang vielfach betont, die Wahl Macrons würde lediglich „fünf Jahre“ Aufschub bedeuten. Wenn es keine merklichen Anderungen der Politik in Frankreich und innerhalb der EU gäbe, müsse man sich spätesten 2022 auf einen Wahlsieg des neofaschistischen Front National einstellen. Doch nicht erst die Ermahnungen aus Berlin lassen ahnen, dass an echten Änderungen auf bürgerlicher Seite kein Interesse besteht.

Die Zusammenstellung des ersten Kabinetts des neugewählten Präsidenten und seine Strategie für die im Juni bevorstehenden Wahlen zur Nationalversammlung deuten vielmehr auf einen Versuch hin, „notwendige Reformen“ mit einem vollkommmen auf seine Person zugeschnittenen, eher autokratischen System unter Auflösung bisheriger Parteien und des bisherigen Politikverständnisses anzustreben.

Wie reibungslos Macron seine angekündigten Reformen, zum Beispiel die aus Berlin geforderte „Flexibilisierung des Arbeitsmarkts“ wird umsetzen können, entscheidet sich nicht zuletzt bei den Parlamentswahlen. Bei diesen werden die gerade verteilten Karten neu gemischt, vor allem, weil Marine Le Pen – anders als ihre zwei größten Widersacher, Emmanuel Macron und Jean-Luc Mélenchon – über eine Parteibasis verfügt, die für Kandidaten-Aufstellung und Wahlkampf in den 577 Wahlkreisen benötigt wird.

Hinzu kommt: Auch die Wahl zur Nationalversammlung wird in einer Stichwahl entschieden, bei der aber (anders als zur Präsidentschaftswahl), auch mehr als zwei KandidatInnen zur Wahl stehen können (für die Teilnahme reicht ein Ergebnis von mehr als 12,5% der eingeschriebenen WählerInnen im ersten Wahlgang). Nachdem sich die Républicains wie auch die Parti socialiste anscheinend in Auflösung befinden, ist kaum vorhersehbar, wie die Stichwahl ausgehen wird. Die am 7. Mai ausgebliebene negative Überraschung könnte am 18. Juni also durchaus doch noch eintreten.

Frankreich wird so zum Schauplatz entscheidender Weichenstellungen in Europa, bei denen neofaschistische und zunehmend autokratische Politikvorstellungen um die Vormacht kämpfen. Doch in Frankreich gibt es durchaus auch eine Linke, die die nächsten fünf Jahre ebenfalls nutzen könnte, die Leerstellen eines zerfallenden Systems zu besetzen. Die traditionell tief gespaltene französische Linke müsste sich nach der Selbstversenkung der Parti socialiste dazu allerdings grundlegend neu aufstellen.

Das Wissen um die französische Linke ist nicht besonders groß in Deutschland. Kaum jemand weiß beispielsweise, für was Mélenchon steht, der hier zumeist als „radikal links“ bezeichnet wird, und am 23. April nur sehr knapp am Einzug in die Stichwahl scheiterte. Auch Bewegungen wie die letztes Jahr kurzzeitig für einige Furore sorgenden „Nuit Debout“-Platzbesetzungen finden in der hiesigen Linken häufig zu wenig Interesse – von den teils heftigen Widerständen gegen Polizeigewalt in vielen Banlieues und Vierteln ganz zu schweigen.

Zwischen den beiden wichtigen Wahlen haben wir Bernard Schmid nach Wuppertal eingeladen, um mit ihm über einige der vielen Fragen und die Gesamtsituation im Nachbarland zu reden.

Die Veranstaltung ist eine Koopertion mit dem solidaritätskomitee Wuppertal in der Reihe: https://politischerechtskurve.noblogs.org/

Referent

Bernard Schmid (Paris), Autor des Unrast-Verlages und Jurist, hat u.a. für antirassistische NGOs und die Gewerkschaft CGT gearbeitet. Er publiziert regelmäßig zu aktuellen politischen Entwicklungen in Frankreich.

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