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20.03.2022 14:30 - 16:45 / Wuppertal, Bushaltestelle Obere Rutenbeck/ Küllenhahnerstr.
Gedenkwanderung zum 77. Jahrestages des Burgholzmassakers

Vor 77 Jahren ermordeten Angehörige der Wuppertaler Kriminalpolizei und Gestapo 30 Zwangsarbeiter:innen aus der ehemaligen Sowjetunion und verscharrten sie in einem Massengrab

in der Nähe des Schießstandes der Wuppertaler Polizei. Die Täter wurden später von der britischen Militärjustiz in Hamburg im sog. Burgholz-Case verurteilt.

 

Die Ermordung der 30 Zwangsarbeiter:innen Mitte März 1945 war nicht das einzige NS-Verbrechen im Burgholz. Das Waldgebiet diente gesichert ab 1943 als Hinrichtungsort der Wuppertaler Gestapo.

Am 5. Juli 1944 wurden zwei Zwangsarbeiter, Wassili Podlesni und Michael Jurinzoz, im “Waldgebiet Burgholz” ermordet. Die Gestapo vermerkte, die Zwangsarbeiter seien durch „plötzlichen Herzstillstand“ ums Leben gekommen ist. Die Wuppertaler Gestapo ließ die Leichen aus dem Burgholz noch per Auto nach Hagen ins Krematorium bringen.

 

Das Morden ging auch 1945 weiter: Der Zeuge Artur Hugendick berichtete von einem Zusammentreffen mit dem Kriminalbeamten Wilhelm Ober im Frühjahr 1945, der offensichtlich gerade von der Exekution zurückkam: „Ober trug an dem Tage die SD-Uniform. Dabei fragte ich ihn, wie er zu dieser Uniform käme, worauf er mir antwortete, sie hätten an dem fraglichen Tage im Burgholz mehrere Russen erschossen, woran auch er teilgenommen hätte. Hierbei äußerte er noch, dass das eine ganz prima Angelegenheit [sic] wäre, und am kommenden Dienstag würden weitere Erschießungen vorgenommen. Sofern ich Lust hätte, würde er mich dazu einladen. Ich habe dieses Ansinnen jedoch sofort abgelehnt, und wir haben über dieses Thema nicht weiter gesprochen.“

 

Auch am 13. April 1945, die Alliierten standen kurz vor Wuppertal, ermordeten zwei Gestapo-Schergen, die Herren Lorenz Waldorf und Bernhard Poleschke den Bonner Polizei-Oberstleutnant Peter Schäfer im Burgholz. Schäfer, überzeugter Nationalsozialist und NS-Täter  z,B. in der Bonner Pogromnacht 1938, war wegen angeblich defaitistischer Äußerungen vom SS- und Polizeigericht verurteilt und in letzter Minute ermordet worden.      

Der Gestapobeamte Lorenz Waldorf sagte zum Mord folgendes aus: „Wir brachten ihn in einem Wagen nach Burgholz etwa 150 m im Tale auf dem Wege von der Wegkreuzung nach Solingen. Den Platz kann ich zeigen. Da stiegen wir aus. Poleschke, ich und der Oberstleutnant [Peter Schäfer] gingen runter. Ich bin als erster angekommen und habe mich dann herumgedreht und auf die anderen gewartet. Beim Ankommen des Oberstleutnant habe ich die Pistole genommen und auf ihn geschossen. Er ist sofort umgefallen und dann habe ich noch einen zweiten Schuss abgeben und zwar einen Genickschuss. Dann kam der Fahrer auch hinzu mit einem Spaten und weil es ziemlich spät war, haben wir ein niedriges Loch gegraben, wo wir den Körper hineinlegten. Vor dem haben wir ihm den Rock und den Mantel ausgezogen. Nach dem haben wir ein kleines Paket und sein Reisenecessaire in die Wupper geworfen.“

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Zum Hintergrund:

 

1944/1945 lag Wuppertal nach den alliierten Luftangriffen weitgehend in

Trümmern. Viele Fabriken, aber auch Zwangsarbeiter-Lager waren völlig zerstört,

die Lebensbedingungen in Wuppertal wurden immer schlechter.

In dieser Situation versuchten viele Zwangsarbeiter:innen in ihre Heimatländer

zu flüchten, oder sie tauchten in den Trümmerlandschaften unter. Die Untergetauchten

schlossen sich häufig zusammen, um den Überlebenskampf

besser bewältigen zu können. Da sie sich nicht offen zeigen konnten, waren

sie gezwungen, Lebensmittel auf illegalem Weg – auf dem Schwarzmarkt

oder durch Diebstähle – zu beschaffen.

 

Ab etwa 1943 bestand über den Widerstandskämpfer Karl Igstaedter ein

fester Kontakt zu einer Gruppe sowjetischer Zwangsarbeiter, die im Lokal

„Schützengilde“ untergebracht war und auf dem Güterbahnhof Wichlinghausen

Be- und Entladearbeiten verrichtete. Aus ihnen rekrutierten sich

offensichtlich auch die Zwangsarbeiter und entflohenen Kriegsgefangenen,

die Ende 1944 begannen, im Großraum Wuppertal bewaffnete Gruppen zu

bilden, die zum Teil illegal auf Trümmergrundstücken lebten, Lebensmittel

requirierten und eine Reihe von Einbrüchen und Überfällen organisierten

 

In der Nacht vom 21. auf den 22. Januar 1945 kam es zu einem folgenschweren

Zwischenfall bei einem Überfall auf Güterwagons im Bahnhof Wichlinghausen.

Ein Reichsbahnangestellter und ein sowjetischer Zwangsarbeiter

starben bei einem Schusswechsel. Wenige Tage später umstellten Polizei

und Beamte der „Reichsbahnfahndung“ ein Haus, das in Heckinghausen von

Zwangsarbeiter:innen bewohnt war. Die Zwangsarbeiter:innen waren bewaffnet und im

„Feuergefecht mit russischen Banditen“ starben zwei Zwansgarbeiter und ein Polizist.

Insgesamt wurden fünf Polizisten bei dem Schusswechsel verwundet

und ein weiterer Zwangsarbeiter wurde schwer verletzt.

 

Nach nach den Ereignissen von Heckinghausen wurden insgesamt 80 sowjetische 

Zwangsarbeiter:innen von der Gestapo festgenommen und ins Polizeipräsidium

verbracht.

 

Das Massaker im Burgholz

 

Die inhaftierten Zwangsarbeiter:innen wurden schwer gefoltert und zu Aussagen

erpresst, denen weitere Verhaftungen folgten. Alle Inhaftierten waren

nach Aussage der Gestapobeamten aus ihren Firmen geflohene „Ostarbeiter“.

Sie hätten sich von der Arbeit ferngehalten, um vom Stehlen zu leben.

Bei den verübten Verbrechen handele es sich um etwa 400 schwere Einbrüche

in Wuppertal, hauptsächlich auf Lebensmittelgeschäfte und Luftschutzkellern.

 

30 Personen aus dieser Gruppe, unter ihnen 10 Frauen, wurden

von Wuppertaler Kripo- und Gestapo-Beamten in der Nähe des Polizei-

Schießstands im Burgholz Mitte März  1945 ermordet. Eine unbekannte

Anzahl wurde in Konzentrationslager wie Buchenwald deportiert.

 

Auch Karl Igstaedter kam die Gestapo auf die Spur. Wie er in ihren Fokus geriet,

ist bis heute nicht sicher bekannt. Am 10. Februar 1945 erhängte er sich

jedenfalls in der Verbindungsgasse von der Langobardenstraße zur Schwarzbach.

Die Sterbeurkunde weist Selbstmord aus „Angst vor Strafe“ aus. Der

Generalanzeiger vom 14.2.1945 nannte als Grund, Igstaedter sei beschuldigt

worden, „mit fremdvölkischen Einbrechern, die auch den Rangierer auf dem

Bahnhof Wichlinghausen erschossen haben, Beziehungen unterhalten“ zu

haben. Er habe „Ostarbeiter“ in der Wohnung beherbergt und „Diebesgut“

erhalten. Schließlich hätte er sein „schändliches Verhalten erkannt und sich

selbst gerichtet.“

 

Auch nach dem Tod Igstaedters ließ die Gestapo nicht locker. Seine Ehefrau,

Hedwig Igstaedter, wurde festgenommen und im Polizeigefängnis Barmen

in der Bachstraße eingesperrt. Dort fand man sie am 17.2.1945 erhängt

 

 

Die Aussagen der Täter 

 

Die weiteren Geschehnisse, die zur Erschießung von 30 Zwangsarbeiter:innen aus der Sowjetunion nahe des Polizeischießstandes im Burgholz führten, lassen sich in den Einzelheiten durch die Aussagen der Täter rekonstruieren. Der Kriminalbeamte Hans Poensgen berichtete: „Ende Februar 1945 wurde ich ins Büro von Kriminaldirektor Baumann bestellt, der mir ungefähr Folgendes sagte: ‚Ich wurde soeben von Düsseldorf vom Inspekteur angerufen und erhielt die Weisung, zu einer Transportbegleitung der Gestapo 10 Männer zu stellen‘. Er gab mir dann einen Zettel, auf dem 10 Namen aufgeschrieben waren: Ich selber, Padberg, Neuhaus, Klos, Nees, Dietrich, Hornberger, Meister, Engemann und Ober. Dietrich und Nees sind nicht erschienen. Orsin und Albermann kamen mit am nächsten Tag, ohne daß sie dazu aufgefordert waren.“

 

 

In seiner Einlassung widersprach Karl Orsin der Darstellung, er hätte sich freiwillig zur Erschießung gemeldet: „Mir wurde der Befehl, an der Erschießung teilzunehmen, von Kriminalobersekretär Beine gegeben, der das Erschießungskommando kommandierte. Es nahmen etwa 12–15 Gestapo- und etwa 10 Kripobeamte an der Erschießung teil. [...] Die Russen mußten vor dem Grab knien, und es wurde ihnen von hinten ins Genick geschossen. Meine Gruppe wurde von dem Gestapobeamten Poleschke erschossen. Ich schoß auf einen Russen, aber kurz vorher hatte Poleschke schon mit der Maschinenpistole auf ihn geschossen, und ich bin der Ansicht, daß der Russe nicht von mir getroffen worden ist. [...] Ich streite ab, daß ich jemals einen Russen oder eine Russin während eines Verhöres oder anderweits misshandelt habe. Ich habe nie jemand Papier zwischen die Zehen gesteckt und es angezündet.“

 

 

Der zweite Polizist, der sich freiwillig an der Exekution beteiligte, war der Kriminalangestellte Otto Albermann, der erst seit dem 1. Juli 1944 im Kriminaldienst in Wuppertal beschäftigt war. Albermann, seit 1932 in der SA und NSDAP sowie seit 1943 Blockleiter, war angeblich neugierig gewesen: „Orsin und ich haben verabredet, an dem Morgen freiwillig mitzugehen, um uns die Erschießung anzusehen. […] Der Grund, warum ich freiwillig zu der Erschießung hingegangen bin, ist folgender: Als unerfahrener Kriminalangestellter wollte ich alles bei der Polizei kennen lernen. Da ich glaubte, dass es sich um eine gesetzmäßige Exekution handelte, wollte ich sehen, wie eine Erschießung vor sich geht.“ 

 

 

Überraschend ist auch, dass einige Polizisten sich gegenseitig erheblich belasteten. So behauptete Arthur Peters: „Als eine der letzteren Gruppen zum Grab geführt wurden, hörte ich, wie Albermann zu Orsin sagte, dass hier ein Russe käme, den er persönlich erschießen wollte, da er ihm viele Schwierigkeiten bei der Vernehmung gemacht hatte. Albermann folgte dann dieser Gruppe und ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass er dann auch auf diesen fraglichen Russen geschossen hat. Ob Orsin auch mitgegangen ist, kann ich nicht sagen.“ Albermann stritt in seiner Einlassung vehement ab, „überhaupt auf jemanden geschossen zu haben“ und belastete wiederum den Kollegen Orsin: „Wenn jemand sich geäußert hat, dass er einen Russen selbst erschießen wollte, weil dieser beim Verhör viel Schwierigkeiten gemacht hatte, so kann das nur Orsin gewesen sein. Orsin erzählte mir auf der Rückfahrt im Autobus, dass er den dicken Russen, der Grischa oder so ähnlich hieß, selbst erschossen hatte.“ Die meisten der anderen Täter behaupteten, dass sie selbst nicht geschossen hätten. Auch kannten sie die Polizisten, die die Genickschüsse abgaben, nicht namentlich. Sie selber hätten „nur“ abgesperrt oder die Gefangenen zur Tötungsstelle im Wald begleitet oder gar – wie Arthur Peters behauptete – nur die Handfesseln vor der Exekution gelöst und in einem Koffer gesammelt.

Treffpunkt
Bushaltestelle Obere Rutenbeck/ Küllenhahnerstr.

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.