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06.03.2018 19:30 - 21:45 / Wuppertal - die Börse
Der Verlust der Zukunft - Prof. Dr. Regina Kreide

Soziale Ungleichheit ist durch ein Paradox gekennzeichnet. Auf der einen Seite hat sich weltweit nach zwei Jahrhunderten die unüberbrückbar erscheinende Wohlstandslücke zwischen dem “globalen Norden” und den sogenannten Entwicklungsländern teilweise verringert.(mehr Realeinkommen für die Mittelschichten in Asien und weniger in den reichen Ländern). Was bedeutet dies für demokratische Politik und die soziale Integration unserer Gesellschaften?
Diese Schrumpfung der Mittelschichten zeigt jetzt schon Auswirkungen auf die sozialen und politischen Entwicklungen in Europa und den USA: weniger Unterstützung für soziale Dienste und viel mehr Ausgaben für private Sicherheitsdienste. Mehr Luxusgüter und hochpreisiger Wohnraum und weniger Durchlässigkeit zwischen den sozialen Schichten.
Diese anhaltende ökonomische Spaltung führt hin zu einer Plutokratie. Das ist ein Problem für die Demokratie, nicht für den Kapitalismus, der auf die Demokratie gut verzichten kann.. Und offensichtlich hat der einkommensschwache Teil der Bevölkerung bereits resigniert bzw. drückt seinen Unmut, sich nicht repräsentiert zu fühlen, durch das Fernblieben von der Urne aus, während die Reichen sich ihrer Pflicht, wählen zu gehen eher bewusst sind und sich auch mehr davon versprechen. Der ökonomischen Spaltung folgt die politische.
 Die Arbeiterklasse und die unteren Mittelschichten sind aus dem Selbstverständnis der etablierten politischen Parteien völlig verschwunden, die selektiv die Interessen ihrer eigenen, gebildeteren Klientel bedienen. Das Prekariat ist nicht nur ökonomisch schwach und politisch marginalisiert, sondern auch kulturell unsichtbar.
Gerade linke Politik habe über prekäre Arbeitsverhältnisse, Überschuldung, unbezahlbare Zahnversorgung und die Scham, solche Probleme öffentlich zu adressieren, weitestgehend geschwiegen und auch den Kampf für die Lebenssituation der prekär Beschäftigten aufgegeben und so den Weg für das vermeintliche Ideal des flexiblen, immer verfügbaren und für sich selbst verantwortlichen Ich-Unternehmers geebnet.
Besonders die Frage kultureller Zugehörigkeit nutzt die populistische Rechte für ihre Zwecke und versucht durch eine Umdefinition kultureller Leitlinien eine nationale Selbstbestimmung des eigenen Volkes wenigstens auf diesem Gebiet vorzuspiegeln.  Der  Sinn für eine mit zu gestaltende Zukünftigkeit mit möglichen sogar utopischen Hoffnungen ist trotz technischer Verheißungen und neoliberaler Propaganda nicht verbreitet. Ein politischer Wandel anstelle von Mini-Reformen ist nicht sichtbar. Dabei haben wir keine Zeit; jetzt heißt es für die Zukünftigkeit zu arbeiten.
Regina Kreide ist Professorin für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Justus Liebig-Universität Gießen.. Sie war Gastprofessorin an der New School for Social Research New York, der Universidad Antioquia Medellin/Kolumbien und der UAM Iztapalapa, Mexico City. Sie ist Mitbegründerin und Herausgeberin der Zeitschrift für Menschenrechte.
Zu ihren Arbeitsgebieten gehören globale (Un-)Gerechtigkeit, Demokratie, Widerstand, Menschenrechte, Gender Studies, Sicherheit und Versicherheitlichung sowie Minderheiten-Politik. Diverse Veröffentlichungen.


Referent

Prof. Dr. Regina Kreide

Teilnahmebeitrag
kostenfrei €
Treffpunkt
die börse, 1. Etage

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.