Im März 2020 jährt sich der Kapp-Putsch zu 100. Mal. Ein vergessenes Kapitel deutscher Geschichte, das jedoch so wichtig erscheint, wie die Novemberrevolution 1918.Der Versailler Vertrag verlangte 1920 die Reduzierung des Deutschen Heeres auf 100 000 Mann und die Auflösung der Freikorps, mit denen die Reichsregierung die Arbeiteraufstände 1919 niedergeschlagen hatten. Doch die präfaschistischen Freikorps Ehrhardt und Loewenfeld wei-gerten sich und putschten. Die Reichs regierung floh. Kurz vorher hatten Ebert und Noske einen Aufruf zum Generalstreik herausgegeben. Der größte Streik, den Deutschland je gesehen hat folgte. Zahlreiche Kommandeure der Reichswehr sympathisierten mit den Putschisten. Die Regierung landete in Stuttgart und wurde dort nur militärisch beschützt, weil sie leugnete den Aufruf zum Generalstreik unterzeichnet zu haben. Nach fünf Tagen mussten die Putschisten in Berlin aufgrund des Generalstreikes aufgeben. Die Regierung kehrte in die Hauptstadt zurück. Inzwischen war es aber vor allem in den Industriegebieten Mitteldeutschlands, Thüringens und im Ruhrgebiet zu bewaffneten Kämpfen von Arbeitern gegen die putschenden Freikorps und die Reichswehr gekommen. Die Putschisten wurden zurückgeschlagen. Im Pott bildete sich eine Rote Ruhrarmee aus der SPD, USPD und KPD-Basis und Syndikalisten, mit bis zu 100 000 Mann. Teils waren sogar Bürgerliche beteiligt. Man wollte nun mehr als die Rückkehr der alten Regierung, verlangte die Auflösung der Reichswehr, stattdessen eine Volkswehr, die Bestrafung der Putschisten und Sozialisierung. Regierungsvertreter (SPD und Zentrum) mussten verhandeln. Man schloss das Bielefelder Abkommen, das einige soziale und militärische Zugeständnisse machte. Staatskommissar Carl Severing (SPD) hatte es inszeniert, um die Bewegung zu spalten. Dies gelang: Ein Großteil der Ruhrarbeiter hielt sich an das Abkommen. Teile der Roten Ruhrarmee waren aber gar nicht in Bielefeld erschienen. Und weder die Regierung noch die Reichswehr wollten etwas von einem Abkommen wissen. Reichspräsident Ebert (SPD) akzeptierte es gleichfalls nicht. So fielen genau die Freikorps, die geputscht hatten, mit Hakenkreuzen am Stahlhelm, als militärischer Arm der Regierung, mit aller Gewalt im Ruhrgebiet ein und massakrierten die Kämpfer, deren sie habhaft werden konnten. Der SPDFührung, wie dem Rest der Koalition war es recht.Gedenksteine für die Opfer wurden von den Nazis beseitigt. Zeit an diesen Kampf zu erinnern.
Referent:
Klaus Gietinger mit einem Überblick über den Putsch und die Abwehrkämpfe
Der Referent Klaus Gietinger ist Autor, Regisseur und Sozialwissenschaftler, mehrere Kinofilme, zahlreiche TV-Movies, Serien und 7 Tatorte (Buch und Regie), diverse internationale Preise. Nominiert für den Grimmepreis 2018 für den Dokumentarfilm „Wie starb Benno Ohnesorg – Der 2. Juni 1967“. Zahlreiche Sachbücher und zwei Romane. Mehr Infos: www.gietinger.de. Zuletzt erschienen: Klaus Gietinger: Der Kapp-Putsch 1920 – Abwehrkämpfe – Rote Ruhrarmee, Schmetterling Verlag, Stuttgart, Februar 2020
Moderation:
Joana Seiffert über die Erinnerung an Generalstreik und Aufstand
Joana Seiffert (Bochum) beschäftigt sich im Rahmen ihrer Dissertation mit der Rezeptions- und Erinnerungsgeschichte zum Ruhrkampf vom Frühjahr 1920. Nach wissenschaftichen Tätigkeiten am Bochumer Institut für Soziale Bewegungen sowie am Lehrstuhl für Geschichtsdidaktik der Ruhr-Universität Bochum, ist sie derzeit Lehrerin am Hans-Schwier-Berufskolleg in Gelsenkirchen. Sie ist Mitherausgeberin des Sammelbandes Erinnerungsorte. Chancen, Grenzen und Perspektiven eines Erfolgskonzeptes in den Kulturwissenschaften (Essen 2014) und hat im Rahmen von Zeit-Räume Ruhr (hg. von Stefan Berger u.a., Essen 2019) zuletzt über den Ruhrkampf als einen Erinnerungsort des Ruhrgebiets publiziert.
Klaus Gietinger, geb. 1955. ist Sozialwissenschaftler, Drehbuchautor und Regisseur.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.