Das bin ICH
Ungefähr 40km vor der imaginären Grenze Europa-Asien liegt die Stadt Jekaterinburg, in der ich aufgewachsen bin. Ich stamme aus einer russischen Musikerfamilie, deswegen begleitete mich die Liebe zur Musik schon seit vielen Jahren. Besonders das Spielen der Instrumente Mandoline und Domra haben mich schon in der Jugend begeistert. Die Domra ist ein Lauteninstrument, die besonders in der russischen Volksmusik benutzt wird. Schon seit vierundzwanzig Jahren spielt das Musizieren eine wichtige Rolle in meinem Leben. Bevor ich nach Deutschland kam, gab ich einige Konzerte in Europa und wollte nun meine Leidenschaft zur Musik durch ein weiteres Studium ergänzen. Zuvor erlangte ich ein Diplom am Konservatorium in Russland.
Mit einem DAAD-Stipendium in der Tasche machte ich mich 2008 auf nach Deutschland, genauer nach Wuppertal, zur einzigen Professionsstelle in Deutschland, um meinen Wunsch, Mandoline auch in Deutschland zu studieren, zu erfüllen. Meine erste Adresse jedoch war das Goetheinstitut in Göttingen, um die fremde Sprache zu lernen. Ein Monat verging. Eine schöne Zeit unter allen Deutschlernern ging vorbei und ich suchte einen Platz im Wohnheim im Arrenberger Viertel in Wuppertal. Allerdings gefiel es mir dort nicht so gut: Alles war für mich sehr schwierig und ungewohnt, alleine in einem fremden Land zu leben. Die Phase der weniger angenehmen Wohnsituation änderte sich prompt, als ich nach Barmen zog. Mein neues Leben in Wuppertal konnte beginnen und das Studium des Masters of Music endlich starten. Schon während des ersten Semesters lernte ich Tomás kennen, meinen jetzigen Partner, mit dem ich nach drei Jahren gemeinsames Studieren zusammenkam. Mit ihm studierte ich Mandoline an der Musikhochschule Wuppertal. Von da an war ich nicht mehr alleine und konnte die bevorstehenden Herausforderungen durch seinen Rückhalt meistern. Das erste Jahr war sehr spannend. Durch die finanzielle Unterstützung seitens des Stipendiums konnte ich viele Städte Deutschlands besuchen und lernte meine neue Heimat immer besser kennen.
Als ich Barmen wieder verließ, zog ich ins Luisenviertel. Wenig später fiel mir auf, wo man hier in Wuppertal als Student am besten leben sollte. Das Luisenviertel bietet viel Abwechslung. Als Musikstudentin, die sich beruflich als Musikerin realisieren möchte, lässt es sich sehr gut im Szeneviertel leben und mit guten Freunden musizieren, wo sich das ein oder andere Konzert ergibt oder besucht wird. Nach einiger Zeit entschloss sich Tomás, mein Partner, zu mir zu ziehen. Mit ihm lebe ich nun schon seit ein paar Jahren zusammen.
Nach meinem ersten Masterabschluss 2015 in Mandoline fing ich ein weiteres Studium an, um mit der historischen Aufführungspraxis barocke Lautenmusik praktizieren zu können. Auf der Laute, die ich nun zusätzlich zur Mandoline spielte, kann ein weites Spektrum des Barocks gespielt werden. In der Zwischenzeit, vom Abschluss des Masters of Music in Mandoline im Herbst bis zum Beginn des zweiten Studiums an der Musikhochschule, bereitete ich mich auf die Eignungsprüfung für die Laute im Juni 2016 vor. Dies bedeutete aber auch, mein Studentenvisum verlängern zu müssen. Mit ein wenig Angst, ob eine Verlängerung genehmigt wird, bekam ich das neue Visum, sodass ich nun meinem zweiten Abschluss entgegentreten konnte.
Wenn ich den Bachelor im April 2017 beende, möchte ich gerne noch den Master dranhängen, um hier in Deutschland meine Chancen zu erhöhen und meine Zukunft als Musikerin durch den abgeschlossenen Master zu sichern. In vielerlei Hinsicht werden sich dadurch Perspektiven ergeben, um mein Leben mit Musik so gestalten zu können, wie es mir beliebt.
Über die Jahre, die ich schon hier bin, machte ich bei vielen verschiedenen Projekten mit und sammelte durch sie unterschiedlichste Erfahrungen, die mich in meiner Leidenschaft bekräftigten, weiter zu machen. Dazu gehörten unter anderem die „Johannes Passion“ von Bach im Wuppertaler Opernhaus und die Oper „Dido and Aeneas“ von Henry Purcell auf Mauritius, in der ich Laute spielen durfte. Auch das Projekt „Romeo und Julia“, das von verschiedenen Künstlern begleitet wurde, stellte eine schöne Erfahrung in meinem Leben als Musikerin dar. Im Radio konnte ich mit meinem damaligen Trio, das aus meiner Schwester Katya Solovey, Felipe Gaitán Lonzano und mir bestand, die Liebe zur Musik durch instrumentale Stücke den Zuhörern des WDR3s vermitteln.
In der doch sehr knappen Zeitspanne, in der ich in Deutschland lebe, konnte ich schon viel als Musikerin erreichen, mich beruflich realisieren und als Musikerin stolz sein auf das, was ich geschafft habe. Daher bin ich motiviert, für meinen Traum weiter zu arbeiten, um noch Größeres erreichen zu können.
Im nächsten Jahr ist nicht nur der Besuch eines Bachfestivals geplant, worauf ich mich schon sehr freue, sondern auch etwas sehr Persönliches: meine Hochzeit mit Tomás.
Ein russischer Sänger namens Leonid Utesov hat zum Thema Musik und Beruf mal gesagt, was ich abschließend als sehr zutreffend empfinde und deswegen teilen möchte: „Музыкант – это не профессия, а национальность!“ (ЛЕОНИД УТЁСОВ). Übersetzt bedeutet dies: „Musiker sein ist kein Beruf, sondern eine Nationalität!"
Autorin: Marleen Weißbach