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Faourouz

Das bin ICH

Liebe Leserin, lieber Leser, das ist Faourouz Sadaoutchi. Und um kurz die wesentlichen Fakten abzuhandeln: Faourouz ist 24 Jahre alt, wurde in Togo geboren, hat lange Zeit in einem kleinen Ort in der Nähe von Würzburg gewohnt und studiert derzeit Modedesign an einer Privatschule in Düsseldorf. Sie merken schnell: So kommen wir hier nicht weiter, wenn ich Ihnen erzählen möchte, wer Faourouz Sadaoutchi wirklich ist. Allerdings sollten wir an dieser Stelle vorsichtshalber schon einmal mit einem Klischee aufräumen und Ihre möglicherweise vorhandene Erwartungshaltung etwas dämpfen. Denn diese Geschichte handelt nicht wirklich von Krieg. Und es geht auch nicht um Diskriminierung. Und auch nur ein bisschen um Flucht und Vertreibung. Stattdessen handelt diese Geschichte von einem mutigen, aufgeschlossenen Menschen, der offen auf andere zugeht, wie ich es selbst nur wenige Male erlebt habe. Und sie handelt von einem Menschen, der seinen Weg geht, manchmal auch gegen Widerstände, und ein klares Ziel vor Augen hat. Vielleicht hätte ich besser schreiben sollen, diese Geschichte handelt von einer Frau – denn es geht natürlich um Faourouz Sadaoutchi, das sollte Ihnen klar sein. Also, bereit? Dann legen wir los!

Natürlich wird Sie interessieren, wie Faourouz eigentlich nach Deutschland gekommen ist, deswegen werde ich Ihnen das zuerst erzählen, damit das schon einmal geklärt wäre. Wie schon gesagt wurde Faourouz in Togo geboren, aber aufgewachsen ist sie dort nicht wirklich, sondern vielmehr in Ghana. Dazu muss man wissen, dass beide Länder nicht nur direkt nebeneinander liegen, sondern vor der Zeit der Kolonien sogar vereint waren. Sie haben also viel gemeinsam – bis auf die Amtssprache, denn während in Ghana die Briten regierten und daher Englisch gesprochen wird, stand Togo lange Zeit unter französischer Herrschaft. Heute ist Togo ein weitgehend friedliches Land mit einer Demokratie, die zumindest nach außen so tut, als wäre sie auch eine. Das war aber nicht immer so – und Faourouz‘ Vater war einer derjenigen, die dagegen gekämpft haben, oder treffender ausgerückt: sich politisch engagierte. Wie so oft, wenn sich jemand in einem autoritär regierten Land für mehr Demokratie einsetzt, kann das schnell gefährlich werden, und so erging es auch ihrem Vater. Das ist jetzt übrigens die Stelle mit der Flucht, falls Sie darauf gewartet haben sollten. Jedenfalls wurde es für ihn irgendwann so gefährlich, dass er zunächst alleine nach Deutschland flüchtete. Deutschland deshalb, weil er vorher eng mit einem deutschen Verein zusammengearbeitet und daher gute Kontakte hierhin hatte. Faourouz‘ Mutter kam kurze Zeit später nach, doch für Faourouz – sie war da erst geboren worden – war diese Reise noch nicht möglich. Ihre Mutter brachte sie, zusammen mit einem wirklich großen, schlechten Gewissen und einer ordentlichen Portion Schuldgefühlen, bei ihren Großeltern in Ghana unter, wo Faourouz mit nur acht Monaten ein neues Zuhause fand. 

In Ghana wuchs sie behütet auf und wurde ziemlich verhätschelt, sagt sie selbst. Geschadet hat ihr das allerdings nicht, sage ich. Auf jeden Fall hatte sie eine wirklich ziemlich schöne Kindheit, aber natürlich war es ihrer Mutter wichtig, sie und ihre Geschwister möglichst bald nach Deutschland zu holen. Das gelang allerdings erst, als Faourouz sieben Jahre alt war – und so stand damals, irgendwann kurz vor Winter, ein kleines Mädchen am Flughafen und lernte zum ersten Mal seine Eltern kennen. Natürlich war das ein komisches Gefühl, aber auf der anderen Seite können gerade Kinder sich oft sehr schnell an neue Situationen gewöhnen, und genau so erging es auch Faourouz. Ein bisschen spannend wurde es dann vor allem noch einmal, als sie in ihre neue Heimatstadt kam. Oder besser ausgedrückt: in ihr Heimatdorf, denn Randersacker liegt zwar in unmittelbarer Nähe zu Würzburg, hat selbst allerdings nur etwas mehr als 3000 Einwohner. Und genau dort tauchte nun eine Großfamilie aus Togo auf. Doch Sie können mir jetzt nicht die Schuld geben, ich hatte das nämlich extra schon am Anfang erwähnt: Dramen und Diskriminierungen gibt es an dieser Stelle nicht – im Gegenteil. Faourouz wurde zusammen mit ihren später vier Geschwistern so herzlich aufgenommen, dass sie noch heute davon schwärmt. „Ich habe mich mit Händen und Füßen verständigt – aber ich gehörte vom ersten Tag an dazu und war einfach eines der Kinder aus dem Dorf.“ Als die Familie irgendwann wächst und wegziehen will, weil sie im Dorf keine Wohnung mehr findet, aber die Schule dann geschlossen werden müsste, weil sie dann zu wenig Kinder hätte, dürfen Faourouz und ihre Familie sogar in das Rathaus des Dorfes einziehen, in dem ihre Eltern auch heute noch wohnen. 

Faourouz selbst geht später auf eine Wirtschaftsschule und macht danach – vor allem weil ihre Eltern sie dazu drängen – eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten, etwas Solides eben. Doch eigentlich will Faourouz nichts Solides, sondern alles andere als das. Heimlich träumt sie schon lange davon, eine Modeschule zu besuchen, doch sie traut sich nicht, ihre Bewerbungsmappe abzuschicken. Auch weil ihre Eltern so strikt dagegen sind. Es ist schließlich ihre Schwester, die dem Glück ein bisschen auf die Sprünge hilft und die Mappe abschickt. Weil Sie ja schon wissen, was Faourouz heute macht, wissen Sie auch, wie dieser Teil ausgeht – aber glauben Sie mir: Ihre Eltern haben davon natürlich nichts geahnt. Erst nachdem sie heimlich beim Vorstellungsgespräch war und den Vertrag mit der Schule schon unterschrieben hat, beichtet Faourouz ihren Eltern, dass sich ihr Lebensweg in Zukunft wohl etwas ändern wird. Wie Eltern manchmal so sind, sind sie anfangs nicht wirklich begeistert von dieser Veränderung, doch nachdem sie sehen, dass Faourouz nicht nur sehr glücklich ist, sondern auch erste kleine Erfolge feiert, freuen sie sich schließlich mit ihr. Und sie sind auch stolz auf sie! Jeder Zeitungsartikel und jedes Interview wird natürlich sofort im Bekanntenkreis herumgezeigt. 

Im Sommer 2016 geht Faourouz schließlich für ein Praktikum ein paar Monate nach Südafrika und wird Anfang 2017 die Modeschule abschließen –  das steht fest. Wie es dann weitergeht, steht noch nicht fest. Später jedenfalls möchte sie in London an einer berühmten Modeschule ihren Master machen – und wer Faourouz kennengelernt hat, der zweifelt nicht daran, dass ihr das auch gelingen wird. Nur eine Sache hat sie bislang noch nicht geschafft: Obwohl sie viel reist und viele verschiedene Länder sieht und kennenlernt, ist sie bislang nie wieder in Togo oder Ghana gewesen. Ich glaube, wenn sie manchmal darüber nachdenkt, macht es sie ein bisschen traurig, aber ich glaube auch, dass sie das ganz bald nachholen wird, ich jedenfalls drücke ihr die Daumen. 

Das jedenfalls war sie nun also, die Geschichte von Faourouz Sadaoutchi. Ich hoffe, sie hat Ihnen gefallen, auch ohne große Dramen und Krieg und Leid – sondern einfach mit einem Menschen, der sein Leben lebt und das Beste draus macht. Eigentlich gar nicht so viel anders als Sie oder ich, oder?

Fotografin: Celia Wagner www.celia-wagner.com
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